Entstehung

Die Idee für eine speziell deutschdidaktische Nachwuchsförderung ist 2004 in der Abschlussdiskussion des 15. SDD-Symposions in Lüneburg entstanden. Einige der damaligen Gründungsmitglieder stellen hier rückblickend ihre Motive dar, ein Nachwuchsnetzwerk ins Leben zu rufen:

Prof. Dr. Christoph Bräuer

[aktiv im Nachwuchsnetzwerk von 2004-2010]

Welche Ereignisse bzw. Gedanken haben aus deiner Sicht zur Gründung des Nachwuchsnetzwerks Deutschdidaktik im Anschluss an das Symposion in Lüneburg geführt?

Aus meiner Sicht waren es mehrere Bedürfnisse unter den Jungdidaktiker*innen, die dazu geführt haben, sich zusammenzutun: Aus der Praxis der empirischen Arbeit erwuchs der Wunsch, vielleicht auch eher die Notwendigkeit, sich über die Aufbereitung und Auswertung der gesammelten Daten auszutauschen in der gemeinsamen Auseinandersetzung am Material. Damit verbunden war die Beschäftigung mit Fragen der Erhebungsmethoden und Auswertungsverfahren, mit Fragen nach Forschungsansätzen und Gütekriterien. In der Verbindung von konkreter Arbeit an unseren Materialien und der Auseinandersetzung mit der Methodologie wollten und mussten wir unsere Expertise entwickeln – sich zusammenzutun und Experten und Expertinnen dazuzuladen, erschien uns ein erster Schritt. Ob es nur ein Narrativ ist oder ob es doch der Tatsache entspricht, mag ich gar nicht mehr beurteilen, aber wir haben die Rede von Norbert Groeben zur empirischen Arbeit in der Deutschdidaktik auf dem Symposion in Lüneburg als Aufruf und als Herausforderung gesehen.

Warum hast du dich aktiv im Nachwuchsnetzwerk engagiert?

Sich dieser von Groeben formulierten Herausforderung zu stellen, war für mich sicherlich ein wesentlicher Aspekt der Mitarbeit – aus dem Lehramtsstudium heraus ergab sich keine methodologische Expertise, sie musste im Rahmen der Qualifikationsprojekte erarbeitet werden. Damit verbunden war durchaus auch ein Gefühl der Aufbruchstimmung, denn trotz einzelner Projekte und Studien lagen in der Deutschdidaktik nur wenige empirische Vorarbeiten vor, verfügten nur einzelne über methodologische Expertise. Dazu kam aber auch die Einsicht, dass zukünftige Forschungsprojekte auch in den Geisteswissenschaften immer seltener von Einzelpersonen durchführbar erschienen, es vielmehr auf die Zusammenarbeit von Forschergruppen und auf kollaborative Forschungsarbeit ankommen würde. Es ging also von Anfang an um Qualifizierung, aber auch um den Aufbau eines Netzwerks.

Welche Bedeutung misst du der Nachwuchsarbeit in der Deutschdidaktik aus damaliger (als Nachwuchswissenschaftler) und heutiger Perspektive (als Professor und Betreuer von Doktorand*innen) bei?

Das Angebot von Forschungswerkstätten und Methodenschulungen, die Mitarbeit in Graduiertenschulen oder größeren Forschungsprojekten, aber auch die Angebote im Studium sind heute sicherlich nicht mehr zu vergleichen mit denen von vor zehn Jahren. Aber die Bedeutung von empirischer Forschung in den Fachdidaktiken hat weiter zugenommen, auch die Notwendigkeit zu Vernetzung und Zusammenarbeit ist gewachsen – das Nachwuchsnetzwerk hat in meinen Augen daher nichts von seiner Bedeutung eingebüßt. Es bietet eine tolle Chance, den Bedarf an Unterstützung selbst zu bestimmen und zu organisieren, sich zu vernetzen und so auch die Identität der Disziplin gleichsam „von unten“ mitzugestalten. Dieses selbst- und zuweilen auch widerspenstige Moment des Nachwuchsnetzwerks bietet einen Freiraum für kritisches Denken, die Möglichkeit jenseits strategischer Karrierepläne die Entwicklungen in der eigenen Disziplin auch einmal quer zu durchdenken – unserer Disziplin kann das nur gut tun.

Prof. Dr. Irene Pieper

[aktiv im Nachwuchsnetzwerk von 2004-2007]

Welche Ereignisse bzw. Gedanken haben aus deiner Sicht zur Gründung des Nachwuchsnetzwerks Deutschdidaktik im Anschluss an das Symposion in Lüneburg geführt?

Das Lüneburger Symposion hatte das Thema „Deutschunterricht empirisch“ und beschäftigte sich dezidiert mit der Frage, welche Konsequenzen ein empirischer Zugriff auf deutschdidaktische Fragestellungen forschungsmethodisch hat. Besonders die Podiumsdiskussion war programmatisch. Norbert Groeben wies darauf hin, dass die methodischen Anforderungen der empirischen Erforschung des Deutschunterrichts nicht nur über interdisziplinäre Kooperationen gelöst werden sollten, sondern dass die Deutschdidaktik selbst mit dem Methodenspektrum der empirischen Bildungsforschung umgehen können müsse. Die Überlegungen gingen damals auch in die Richtung eines forschungsmethodisch ausgerichteten überregionalen Aufbaustudiums für Nachwuchswissenschaftler*innen. Es war aber sichtbar, dass diese „große“ Lösung nicht umstandslos zu haben sein würde, während es umgekehrt rasch eine Gruppe an Nachwuchswissenschaftler*innen gab, die die Dinge quasi in die Hand nehmen wollten und an einer Vernetzung interessiert waren. Dabei ging es von Anfang an darum, forschungsmethodische Überlegungen nicht abstrakt, sondern im Zusammenhang deutschdidaktischer Fragestellungen zu konkretisieren und je nachdem auch zu adaptieren – auf dem Weg zu einer deutschdidaktischen Empirie.

Warum hast du dich aktiv im Nachwuchsnetzwerk engagiert?

Als Postdoc mit einer literaturwissenschaftlichen Promotion im Rücken und ersten eigenen empirischen Arbeiten vor Augen war mir damals sehr deutlich, dass im Bereich meiner empirischen Qualifikation noch Luft nach oben war. Neben die Notwendigkeit trat dabei auch die Neugierde auf Fragestellungen jenseits meines bisherigen Spektrums und auf andere forschungsmethodische Zugriffe. Die Zusammenarbeit mit anderen Nachwuchswissenschaftler*innen in der gemeinsamen Domäne reizte sehr, und es war sehr schnell deutlich, dass wir unsere Interessen in ein spannendes und vielfältiges Programm umsetzen konnten. Es passte damals auch menschlich sehr gut. Die Zusammenarbeit war nicht zuletzt (forschungs-)vergnüglich. Sehr motiviert hat uns, dass der Verband den Aktivitäten des Nachwuchsnetzwerks von Anfang an sehr aufgeschlossen gegenüber stand, was ja bis heute sichtbar ist.

Welche Bedeutung misst du der Nachwuchsarbeit in der Deutschdidaktik aus damaliger (als Nachwuchswissenschaftlerin) und heutiger Perspektive (als Professorin und Betreuerin von Doktorand*innen) bei?

Ich glaube, man kann die Bedeutung der Nachwuchsarbeit kaum überschätzen. Was ich von meiner jetzigen Position aus stärker sehe, sind die besonderen Herausforderungen, vor denen Promovierende aus den Lehramtsstudiengängen stehen. Sie haben in der Regel ein Spektrum an Fächern studiert und nicht die gleichen Möglichkeiten einer Vertiefung gehabt, die man in (inzwischen ja fast historischen) Monostudiengängen haben kann. Besonders dann, wenn sie nicht für das Lehramt an Gymnasien studiert haben, ist der Anteil des Fachstudiums, auf das sie zurückgreifen können, nicht sehr hoch. Insofern gehört zur Promotionsphase meines Erachtens ein weiteres Studienprogramm mit Vertiefungsräumen auch im theoretischen Bereich. Wie strukturiert das sein soll, das hängt von den konkreten Bedingungen ab. Promoviere ich auf einer Stelle, sieht das anders aus als auf einem Stipendium. Flexible Angebote wie die des Nachwuchsnetzwerks, die ja auch aus den jeweiligen Forschungsinteressen erwachsen, sind jedenfalls sehr wertvoll. Das gilt natürlich bis in die Postdoc-Phase hinein, die meines Erachtens mehr Interesse verdiene.

Prof. Dr. Dorothee Wieser

[aktiv im Nachwuchsnetzwerk von 2005-2012]

Welche Ereignisse bzw. Gedanken haben aus deiner Sicht zur Gründung des Nachwuchsnetzwerks Deutschdidaktik im Anschluss an das Symposion in Lüneburg geführt?

Meine erste Begegnung mit dem Nachwuchsnetzwerk war der Workshop 2005 in Frankfurt/Main. Dies war insofern ein Schlüsselerlebnis, weil ich zum einen zum ersten Mal innerhalb der Deutschdidaktik die Gelegenheit bekam, methodologische Fragen zu diskutieren. Zum anderen war es aber auch die Erfahrung, nicht notwendig als Einzelkämpferin promovieren zu müssen, die mich sehr schnell an das Nachwuchsnetzwerk gebunden hat.
Warum hast du dich aktiv im Nachwuchsnetzwerk engagiert?
Nachdem sich die positiven Erfahrungen des ersten Workshops in anderen Kontexten bestätigten und die Kontakte enger wurden, war sehr schnell klar, dass es eigentlich keine Wahl gibt: Mitglied des Nachwuchsnetzwerks zu sein, heißt, sich auch gestaltend mit einzubringen. Die Chancen wollten einfach genutzt werden.

Welche Bedeutung misst du der Nachwuchsarbeit in der Deutschdidaktik aus damaliger (als Nachwuchswissenschaftlerin) und heutiger Perspektive (als Professorin und Betreuerin von Doktorand*innen) bei?

Wie bereits angedeutet, kann man das Nachwuchsnetzwerk aus vielen Perspektiven betrachten und schätzen: Man lernt sympathische Menschen kennen, die sich wie man selbst für Fragen begeistern, die viele andere für abwegig oder zumindest uninteressant halten. Neben den fachlichen und methodologischen Kenntnissen, die man in den Workshops erwerben kann, ist es zudem hilfreich, andere universitäre Kontexte zu erkunden und an (Promotions-)Erfahrungen zu partizipieren. Vor allem ist das Nachwuchsnetzwerk aber aus meiner Sicht eine Probebühne in Sachen Workshoporganisation, Themenprofilierung, Teamkommunikation und für viele andere Performancen, die man im universitären Theater benötigt.

Prof. Dr. Iris Winkler

[aktiv im Nachwuchsnetzwerk von 2004-2008]

Welche Ereignisse bzw. Gedanken haben aus deiner Sicht zur Gründung des Nachwuchsnetzwerks Deutschdidaktik im Anschluss an das Symposion in Lüneburg geführt?

Beim Symposion in Lüneburg ist für mich persönlich insbesondere durch die Ausführungen von Norbert Groeben deutlich geworden, dass die Deutschdidaktik sich viel stärker empirisch ausrichten muss. Diesen Eindruck haben offensichtlich viele „Junge“ geteilt. Für den wissenschaftlichen Nachwuchs war das damals keine Frage, ob die Disziplin das will oder soll. Für uns war klar: Wenn wir als forschende Disziplin weiter Gehör finden wollen, müssen wir uns in Eigeninitiative schlau machen und vernetzen. Wir waren damals (noch) viel weniger als die Qualifikanden heute dafür qualifiziert, überzeugende empirische didaktische Forschung zu konzipieren und durchzuführen. Daraus entstand die Idee, sich in selbst organisierten Workshops bedarfsgerecht fortzubilden. Hinzu kam, dass die richtigen Leute zusammengetroffen waren, diese Initiative zu stemmen: Wir hatten ein gemeinsames Anliegen und kamen persönlich gut miteinander aus. Dass uns der Verein SDD e.V. von Anfang an finanziell und ideell unterstützt hat, hat die Arbeit natürlich maßgeblich erleichtert.

Warum hast du dich aktiv im Nachwuchsnetzwerk engagiert?

Ich habe viel gelernt und wertvolle Kontakte geknüpft, die mir bis heute wichtig sind. Außerdem war es eine ganz neue beflügelnde Erfahrung, dass wir unsere Fragen und Projekte untereinander in einem geschützten Raum diskutieren konnten. Vorher hatte ich vor allem einsam am Schreibtisch vor mich hin geforscht – und nun gab es diese Gruppe von Leuten, die ganz ähnliche Probleme hatten, und den Austausch unter peers. Das war sehr motivierend.

Welche Bedeutung misst du der Nachwuchsarbeit in der Deutschdidaktik aus damaliger (als Nachwuchswissenschaftlerin) und heutiger Perspektive (als Professorin und Betreuerin von Doktorand*innen) bei?

Damals hätte ich mit dem Begriff „Nachwuchsarbeit“ nicht viel anfangen können – wir haben unsere Nachwuchsarbeit quasi selbst gemacht. Heute als Professorin und Betreuerin denke ich, dass die Förderung wissenschaftlichen Nachwuchses zu unseren wichtigsten Aufgaben zählt. Das gilt natürlich für die Qualität der Betreuung, wobei ich es als herausfordernd erlebe, das richtige Maß zwischen Anleitung und Freiraum für die Promovierenden zu finden. Die Vernetzung greift glücklicherweise auch auf der Betreuungsebene, wenn etwa andere Kolleginnen und Kollegen meine Promovierenden in entsprechenden Workshops beraten und auf Dinge aufmerksam machen, die wir in unserer eigenen Forschungswerkstatt vor Ort möglicherweise übersehen haben. Ebenso wichtig finde ich aber, dass wir als Professorinnen und Professoren Ideen entwickeln, die ungünstigen Beschäftigungsstrukturen für wissenschaftlichen Nachwuchs zu verändern. Viel zu oft laufen uns in den Fachdidaktiken die guten Leute nach dem Studium oder der Promotion weg in die Schule, weil sie dort verlässliche Perspektiven haben und vernünftig bezahlt werden.

Unsere Arbeitsgemeinschaften

Unsere Arbeitsgemeinschaften tragen das Symposion Deutschdidaktik.

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